Neue Musik
Als Neue Musik wird ernste klassische Musik, die ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden ist, bezeichnet. Die Neue Musik wird in zwei Bereiche eingeteilt: Werke des 20. Jahrhunderts, die vor 1945 geschaffen wurden und Werke aus der Zeit nach 1945. Zunächst sollte der Begriff "Neue Musik" für zeitgenössische Musik stehen, doch er hat sich zur Bezeichnung für die Musik einer ganzen Epoche entwickelt: der Moderne. Der Begriff "Neue Musik" wurde 1909 vom deutschen Musikschriftsteller und Kritiker für zeitgenössische und klassische Musik, Paul Bekker eingeführt.
Die Neue Musik gründet sich auf das Schaffen der großen Komponisten der Klassik und der Romantik. Als Ausgangspunkt der Neuen Musik sind die berühmten Opern und Operetten des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu betrachten. Eine weitere Grundlage für die Neue Musik bildet die klassische Symphonik. Viele Komponisten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten, bezogen sich mit ihren Werken direkt auf die klassische Musik. Andere versuchten, sich deutlich davon abzusetzen. So schufen sie etwas völlig Neues: den Impressionismus. Die impressionistischen Stücke bezogen sich in ihrem Ausdruck nicht mehr direkt auf eine bestimmte Handlung oder inhaltliche Aussage, sondern waren reine Klangkompositionen.
Eine weitere Verwegenheit der Begründer der Moderne, die später Neue Musik genannt wurde, war, die Tonalität, die für die klassische Musik typisch war, zu sprengen. Die Gebundenheit der Töne, Klange und Akkorde an eine Tonart wurde aufgehoben, was eine Aufgabe der Harmonie zur Folge hatte. Mithilfe der so entstehenden Atonalität wurden in manchen ansonsten harmonischen Musikstücken besondere Effekte gesetzt.
In anderen Stücken wurde Atonalität nicht zum Setzen von Höhepunkten verwendet, sondern sie bestimmte die Musik an sich. Hierbei wurde es wichtig, trotzdem das Gleichgewicht aller zwölf Töne der chromatischen Tonleiter zu wahren. Das führte zur Erfindung der Zwölftontechnik 1924.
Obwohl die Anhänger der Zwölftontechnik glaubten, dass zukünftig alle Komponisten ohne Verwendung der herkömmlichen Tonstufen Dur und Moll arbeiten würden, schufen viele namhafte Künstler neue Werke, die sich in ihrer Struktur auf die klassische Musik bezogen. Auch diese Musiker, die sich unter anderem mit dem Kontrapunkt der Vorromantik auseinander setzten, konnten aus den verschiedensten Materialien durch intelligente Symbiose Neues schaffen.
Die Innovation dieser Musik, die nicht die Zwölftontechnik nutzte, sondern die klassische Musik zum Vorbild hatte, bestand mitunter darin, dass einzelne Elemente eines Stücks hintereinander aufgereiht wurden, ohne thematisch miteinander verknüpft zu sein. Diese Art zu komponieren eigneten sich vor allem Künstler russischer oder ungarischer Abstammung an, die auf einen reichen Fundus folkloristischen Liedgutes aus ihren Heimatländern zurückgreifen konnten, um ihn in ihren Werken zu verarbeiten.
Doch die Gruppe der eisernen Verfechter der Zwölftontechnik ging noch einen Schritt weiter und legte noch eine Steigerung der Zwölftontechnik fest. Diese Weiterentwicklung ist die serielle Musik. Sie wurde 1950 entwickelt. In der seriellen Musik wird jeder einzelnen Note mit mathematischer Präzision eine genaue Dauer und eine bestimmte Dynamik zugeordnet. Mitunter werden auch Instrument und Klangfarbe für jede Note notiert.
Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie es ermöglicht, neue Klänge zu verwirklichen und große Datenmengen zu verarbeiten und problemlos authentisch zu vervielfältigen. Das hatte für einige Komponisten in den 70er Jahren die logische Konsequenz, die elektronische Musik in den Mittelpunkt ihres Schaffens zu rücken. Doch die völlig geordnete Systematik, die die serielle Musik hervorrief, trieb einige Komponisten in die Opposition und sie machten den Zufall zur Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit. Sie traten der genauestens determinierbaren seriellen Musik mit der Postmoderne entgegen.
Der Begriff der Postmoderne entstand in den 60er Jahren. In der Postmoderne ging man davon aus, dass alles, was geschaffen wird, auf die Kunst vergangener Epochen, also auch auf die klassische Musik, zurückgreift. Die Postmoderne brach mit allen Konventionen, war verspielt und auf keinen bestimmten Stil festgelegt. Doch mit der Zeit war die Postmoderne nicht mehr modern und wurde selbst zum historischen Schlagwort. In den 80er und 90er Jahren war die ernste Musik von der "Neuen Einfachheit" geprägt. Diese Strömung wurde von Komponisten ins Leben gerufen, die die Emotionalität in die Musik zurückholten. Nach 1990 erweiterte sich die Neue Musik durch den verstärkten Einfluss aus Osteuropa um eine unüberschaubare Zahl zusätzlicher Stile.